Zweifel woran? Das Logo am Palast der Republik

Von Mark Siemons FAZ

23 März 2005

Von allen Berliner Kunst-Zeichen ist dies das aufdringlichste. Bis zum Brandenburger Tor, ja bis zu den Flugzeugen hoch über der Metropole leuchten die am Palast der Republik angebrachten Versalien „ZWEIFEL” hinaus in die Nacht, als wären sie das offizielle Logo der Stadt.

Die Buchstaben stammen von dem norwegischen Künstler Lars O Ramberg, der sie mit Hilfe diverser öffentlicher und privater Mittel in die Dachkante der Palastruine eingelassen hat, vierzig Meter lang. Fast zwei Monate ist das nun schon her, doch in dieser ganzen Zeit hat nicht ein einziger Mensch gefragt: Zweifel woran?

Zweifel am Abriß?

Das muß erst einmal erstaunen, denn es ist alles andere als klar, worauf sich der Zweifel eigentlich bezieht. Auf den asbestsanierten, zwischengenutzten Palast der DDR, an dem die Lettern hängen? Wohl nicht, denn dieses Zweifels bedürfte es kaum mehr; noch in diesem Jahr soll unter der Regie des Ingenieurbüros Specht, Kalleja und Partner damit begonnen werden, die Ruine abzureißen.

Zweifel also am Abriß? Wohl auch nicht, denn der Schriftzug gibt zu dem Gebäude, an dem er befestigt ist, gar keinen Kommentar, sondern er gibt ihm einen Namen: Er soll fortan als Ganzes „Palast des Zweifels” heißen. Es geht, mit anderen Worten, nicht um irgend etwas Bestimmtes, sondern um ein Prinzip, und zwar um eines, das offenbar unmittelbar einleuchtet, über jeden Zweifel erhaben ist.

Monument der Skepsis

So fraglos, wie der Bau, als er errichtet wurde, der Befestigung einer Herrschaftsidee galt, scheint er heute als Monument der Skepsis durchzugehen. Dieser Symboltransfer hat seine Logik, denn der Wechsel von der DDR zur Bundesrepublik erzeugte - wenigstens bei denen, die im Osten leben - auch sonst ein verschärftes Kontingenzbewußtsein, das Gefühl, sich grundsätzlich auf keinen institutionellen und politischen Rahmen mehr allzu fest verlassen zu können.

Dieses Gefühl bildete in den letzten fünfzehn Jahren den verläßlichen Bodensatz der kulturellen Aktivitäten der Hauptstadt, zumal wenn sie sich in den zugigen Hinterlassenschaften der untergegangenen Systeme abspielten; noch die harmloseste Record-Release-Party bekommt ihren Anteil an der abgründigen Bodenlosigkeit des Ortes, wenn sie denn nur in der „Staatsbank der DDR” oder dem Flughafen Tempelhof stattfindet. Kein Wunder also, daß der ZWEIFEL heute so ehern, groß und über alle Fragen erhaben dastehen kann wie einstmals bloß das Wahre, Schöne, Gute.

Eine Sprechblase über allem

Der ZWEIFEL ist wie eine Zusammenfassung, eine Sprechblase, die über allem schwebt, was hier lebt und arbeitet, installiert, interveniert, verfremdet, verunsichert, Projekte macht und Subventionen beantragt. Die Tatsache, daß kein Mensch fragt, warum und woran es denn nun genau zu zweifeln gilt, belegt unzweifelhaft seine Funktion als sozialer Kitt - als ideologischer Überbau eines sich stetig ausweitenden und doch gemütlich gebliebenen Winkels von Deutungsproduzenten und -verbrauchern, bei denen man nicht wissen kann, worum es ihnen wirklich geht, und die offenbar auch die Stadt nicht mehr für etwas außerhalb ihrer Kreise Liegendes zu interessieren vermag. Der ZWEIFEL scheint in Berlin zum Vorzeichen eines neuen Biedermeiers zu werden


 
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